Festschrift 25-Jahre Musikverein Mittelfischach 1973 e.V.
Mittelfischach und das ehemalige Limpurger Land
Ein Streifzug durch die Geschichte; von Wolfgang Haubensak
Bronze- und Urnenfelderzeit
Auf Markung Herlebach befinden sich noch 3 ungeöffnete Grabhügel; sie sollen aus der Bronzezeit (1800-1200 vor Christus) stammen.
Aus der Urnenfelderzeit (1200 - 800 v. Chr.) kann auf den Fund von 3 Beilen beim ehemaligen Bundeswehrdepot bei Engelhofen hingewiesen werden.
Aus der anschließenden Hallstadtzeit (800 - 450 vor Christus) zeugt ein Grabhügel auf der Gemarkung Hausen Gemeinde Obersontheim.
Bei Crailsheim, Großaltdorf und Michelfeld wurden einige Reihengräber gefunden, die auf eine alemannische fränkische Besiedlung hinweisen.
Wüstungen
Darunter versteht man Höfe, Weiler und Ortschaften, die irgend wann aufgegeben
oder zerstört und nicht wieder besiedelt wurden.
Zum Gebiet um Mittelfischach sind zu nennen:
- Beringers (südwestlich von Weiler) wurde 1478 als ein Hof des Konvents Comburg geführt, lag aber bereits 1422 wüst.
- Altenwinden zwischen Unterfischach und Geifertshofen
- Sanweles auf Markung Engelhofen. Im Jahre 1462 war dieser Ort noch in der Hand des Comburgischen Hofes. Es wird überliefert, der Ort sei im "Großen Städtekrieg" (1439-1450) verbrannt worden.
- Der Leippersberg. Er liegt auf Markung Geifertshofen zwischen Bühler und Fischach. Er ist der letzte Weiler, der in Abgang kam.
Schon wird er im Jahr 1380 urkundlich genannt. Ein Haller Bürger Sitz Eberhard kauft ihn vom Kloster Ellwangen. Nach mehreren Eigentumswechseln erwarb Schenk Friedrich der VII. - ein Sohn von Schenk Erasmus - im Jahr 1562 den Leippersberg, der bis zum Jahr 1806 im Eigentum der Grafschaft Limpurg blieb, und von da an dem neuen Königreich Württemberg eingegliedert wurde.
Auf einem der Höfe saß als letzter der kinderlose Bauer Stefan Kurz. Nach dem Ableben seiner Frau siedelte er nach Heilberg, Gemeinde Bühlerzell. Er
vermacht in seinem Testament 1.000,- Mark für den Leichentrunk. In Bühlertann, so erzählt ein Bericht im Haller Tagblatt, sollen die trinkfesten
Männer aus der Umgebung in 8 Tagen kaum nüchtern geworden sein.
Als neue Erwerber sind zu benennen:
- Ludwig Kübler und Georg Däumling aus Mittelfischach
- Katharine Hofmann aus Geifertshofen.
Die Bewirtschaftung erfolgte von den Erwerbern beziehungsweise deren Betriebsnachfolgern. Sie bewirtschafteten bis zum Jahre 1967 den
Leippersberg.
In diesem Jahr kaufte die Evangelische Pfarrgutsverwaltung Stuttgart für die evangelische Pfarrei Geifertshofen den Leippersberg. Einige Landwirte ausUnterfischach bewirtschaften einige Ackerflächen. Der größte Teil wurde als Wald angelegt. Geifertshofen hat 56 Bewaldungsprozente.
Ein Hof wurde 1897 verlassen; 1914 ist der letzte Hof niedergebrannt.
Die knappen Wasservorkommen sollen die Gründe sein, den Leippersberg nicht wieder zu besiedeln.
Die Kirche in Mittelfischach
Solche Baudenkmäler sind Zeugen der Vergangenheit; sie sagen aus, daß Menschen hier gelebt haben.
Die evangelische Pfarrkirche St. Johannes des Täufers (daher 1371 auch Johannes Fischbach genannt) war im Urbau romanisch, im Turmchor gotisch.
Das 1595 erneuerte Langhaus wurde nach dem Abbruch 1960 unter Vergrößerung in Sichtbeton mit großer Fensterfront neu erbaut. Der nunmehr seitliche Turmchor dient als Taufkapelle.
Im Langhaus aufgedeckte Fresken fanden ihren Platz an der neuen Altarwand und in der Taufkapelle. Fresken sind Bilder, deren Farben dem Gips beigefügt sind.
Die Schenken von Limpurg ab 1541 in Obersontheim
In der Goldenen Bulle von Kaiser Karl dem IV. und im Schutzbrief von Breslau (1359) war den Schenken das Recht verbrieft, bei Königskrönungen dem gewählten König den Schenkenbecher zu reichen. Die Feierlichkeit fand beim Römer in Frankfurt am Main statt.
Von ca. 1230 - 1541 lebten die Schenken auf der Limpurg bei Hall - seit 1934 Schwäbisch Hall -. Schenk Erasmus verkaufte die Limpurg an die Reichsstadt Hall um 45.700 Florentiner. In Hall hatten Florentiner die Münze gepachtet, daher der Name Florentiner.
Geldmangel und Streitigkeiten zwischen den Schenken und der Stadt, schlechter Bauzustand der Burg, und weil die Schenken in Obersontheim Grundbesitz besaßen, hat die Schenkenfamilie zum Verkauf der Burg mit dem Dorf Unterlimpurg, Zöllen und Jagdgerechtigkeiten veranlaßt. Der 1/2 große Zoll (Holzzoll) verblieb den Schenken.
Als Kaufinteressenten sind aufgetreten: das Stift Ellwangen, die Reichsstadt Hall und der württembergische Herzog Ulrich, bei dem Erasmus im Dienst gestanden hat.
Schenk Erasmus baute in Obersonteim die bestehende übel verwahrloste Kemenate (heizbares Zimmer einer Burg) zum Schloß aus (Kirchenseite). Er gründete die Linie Obersontheim. Sie, die Schenken kauften in ihrem Gebiet immer mehr Grundstücke, auch in Mittelfischach und Oberfischach auf.
Sein Sohn Schenk Friedrich VII. erweiterte das Schloß (Richtung Gaildorf), ließ die ev. Pfarrkirche in Obersonteim erbauen, das Pfarrhaus und in seinem Sterbejahr 1596 das Rathaus errichten.
Seit 1903 beherbergt das Schloß behinderte Menschen. Träger der Anstalt ist die Samariterstiftung mit dem Sitz in Nürtingen-Oberensingen.
Strafjustiz in der Grafschaft Limpurg
In ihrem Gebiet, zu dem auch Mittelfischach gehörte, übten die Schenken Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung aus. Ihnen stand auch das kirchliche Recht zu.
Kaiser Ferdinand verlieh am 20. Januar 1563 dem Schenken Friedrich VII. zu Limpurg die hochgerichtliche Obrigkeit in seinem Dorf Obersontheim und dem dazugehörigen Besitz. Er konnte deshalb die Todesstrafe verhängen. Es war dazu ein Gutachten einer juristischen Fakultät nötig.
Beim Staatsarchiv Ludwigsburg B 113, Bü. 2083 liegt ein Gutachten der Juristen- Fakultät Altdorf (bei Nürnberg) wegen der Fascination (Verhexung) des Jakob Hofmann zu Oberfischach durch Eva Körner vom 3. September 1564 vor.
Die 12-jährige Anna Dorothea Fährer aus Michelbach wird 1704 der Hexerei angeklagt. Nach eigenem Bekunden kann sie lesen, nicht schreiben. Glücklicherweise erhielt sie eine "ernstliche Vermahnung".
Wir schreiben das Todesdatum von Schenk Vollrath (19. August 1713) der letzte Schenk im Mannesstamm.
Anfang Juli 1713 wurde der 20-jährige Hans Georg Pfahl verhaftet. nun wurde Hexerei und Sodomiterei (Unzucht mit Tieren) vorgeworfen. Man ließ in Nümberg ein Gutachten erstellen. Der Angeklagte sei der Sodomiterei schuldig und wird daraufhin mit dem Schwert hingerichtet und der Leichnam verbrannt. Von einer Folterung - dem peinlichen Verhör - ist nichts bekannt.
Diese Folterungen wurden hauptsächlich durch die von Kaiser Karl dem V. im Jahre 1532 eingeführte Strafprozeßordnung untermauert. Da gab es den "Spanischen Stiefel" womit der Unterschenkel des Delinquenten gebrochen wurde. Diese Folterung wurde noch als die harmloseste Art angesehen.
Die Limpurger Herrschaft hat letztmals ein Todesurteil am 30. Juni 1775 vollstrecken lassen. Ein Bürger aus Imberg, Gemeinde Bühlerzell hat einem Förster aufgelauert und ihn totgeschlagen.
Das Urteil wurde von dem Henker Georg Konrad Hähmle vollzogen. Der Henker hatte sein Domizil zwischen Mittelfischach und Oberfischach.
Spital
Von Schenk Erasmus wurde in Obersontheim das Spital errichtet, das bis 1953 belegt war. Das Gebäude steht noch heute in der Hauptstraße in Obersontheim.
Eine Kupfertafel gibt weitere Auskunft.
Der Text stammt von Karl Morlok, der auch das Buch "Auf den Spuren der Schenken von Limpurg" geschrieben hat.
Waisenhaus
Der letzte Schenk Graf Vollrath - gestorben 1713 - und seine Ehefrau Eleonore bauten ein Waisenhaus (heute Glaserei Sclunid am Schenkenplatz Obersontheim).
Die Triebkraft kam von Superintendent (Dekan) Müller, der 1694 den Dienst in Obersontheim aufgenommen hat.
Die Errichtung dieses Waisenhauses war wohl das zweite dieser Art in Deutschland. Spital und Waisenhaus bekunden das caritative Verhalten der Schenken.
Die Grafschaft Limpurg wird dem Königreich Württemberg einverleibt.
Der französische Kaiser Napoleon hat in Europa die sogenannte Flurbereinigung durchgeführt.
So wurde auch Württemberg, das 1495 zum Herzogtum erhoben wurde, 1806 Königreich.
Herzog Friedrich 11. (1754 - 1816) wurde erster Württembergischer König Friedrich der I.
Die Grafschaft Limpurg wurde dem Königreich Württemberg einverleibt. Wir wurden Neuwürttemberger genannt.
Was waren so die wichtigsten
Ereignisse ab 1806?
Nach dem Tod von König Friedrich dem I. übernahm sein Sohn Wilhelm der I. die Regierung bis 1864.
Mehrere Mißernten verursachten große Not. Es zwang unsere Landsleute auszuwandern. So wanderten viele Menschen nach Bessarabien oder nach Übersee aus. In den Jahren 1850-1854 waren es über 62.000 Württemberger.
Im Jahre 1819 wurde eine neue Verfassung beschlossen, die den Tübinger Vertrag - das gute alte Recht - von 1514 aufgelöst hat.
Justinus Kerner und Ludwig Uhland stärkten sich in Mittelfischach. Kerner fungierte als Oberamtsarzt in Gaildorf (1815-1819). Sein Freund Uhland besuchte ihn. Kerner soll die Apotheke in Obersontheim visitieren (überprüfen). In Mittelfischach, so ist historisch überliefert, haben sich die Beiden mit einem kräftigen Essen gestärkt.
Die Revolutionsjahre 1848/49
Die Revolutionsjahre werden erwähnt, weil hier Gottlieb Rau, der Glasfabrikant aus Gaildorf, bedeutungsvoll ist. Gaildorf war ja unsere Kreisstadt bis 1938.
Jener Rau organisierte von Rottweil aus einen Marsch nach Bad Cannstatt. Er sagte: " Wir müssen bekennen, daß das gedankenlose Geschrei für
die constitutionelle Monarchie mit breitester Grundlage der Untergang ist für die deutsche Einheit, der Tod für uns und unsere Kinder. "
Im März 1851 wurde er wegen "complottmäßigem Hochverrat" zu einer Zuchthausstrafe von 13 Jahren verurteilt. König Wilhelm I. hat ein Gnadengesuch abgelehnt.
Nach 3 Jahren wird Rau zur Auswanderung nach Amerika begnadigt. In New York betreibt er eine Gastwirtschaft. Dort stirbt er mit 39 Jahren am 2. Oktober 1854.
Franziska von Hohenheim
Was soll in diesem heimatlichen Streifzug des Musikvereins Mittelfischach Franziska von Hohenheim erwähnt sein? Diese Frau war Geliebte des württembergischen Herzogs Carl Eugen und seit 1785 seine Ehefrau.
Sie hat sich für die Freilassung des Rebellen, des Freiheitsdichters, Journalisten und Dichters CFD Schubart - geboren 1739 in Obersontheim - eingesetzt, der ohne Gerichtsurteil über 10 Jahre im Kerker auf dem Hohenasperg bei Ludwigsburg der Freiheit beraubt war.
Franziska ist vor 250 Jahren am 10. Januar 1748 in Adelmannsfelden bei Ellwangen geboren.
Sparkassenverein - 23. März 1888
Anläßlich einer Bürgerversammlung im Gasthaus zum Lamm in Mittelfischach kam es zur Gründung des Darlehenskassenvereins. Die Eintragung in das Genossenschaftsregister erfolgte am 3. April 1888.
Dem Vorstand gehörten an: Bürgermeister Maurer, David Hofmann (Ökonom aus Mittelfischach), Georg SchübeIe (Küfermeister aus Mittelfischach), Michael Schoch (Bauer aus Engelhofen), Friedrich Beck (Gastwirt aus Unterfischach), Rechner Schullehrer Hommel. Dieser hat angeblich seinen Dienst nicht ordnungsgemäß versehen.
Die Entwicklungen machten es erforderlich, die Fusion mit der Volksbank Gaildorf - jetzt firmiert sie unter Limpurger Bank-zu betreiben. Am 26. März 1968 wurde sie vollzogen.
Inzwischen wurde südlich der Kirche ein neues Bankgebäude errichtet.
Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der Gründer der genossenschaftlichen Banken und Warenabsatzmärkte, ist besonders zu erwähnen, weil sein Großvater von 1778- 1814 in Mittelfischach Ortspfarrer war, wie es auf der Bronzetafel am Raiffeisensaal zu lesen ist.
Dem Gründer der Raiffeisenbanken wurde vor dem Bankgebäude in Mittelfischach im Jahre 1989 ein Denkmal gesetzt.
Die Fischachkorrektur
Schon ab 1863 beschäftigte sich die Gemeinde mit der Fischachkorrektur. Am 11. März 1883 wurde eine Besichtigung der Örtlichkeiten und die Beteiligungspflichten der Anlieger vorgelegt, und um Zustimmung gebeten. Die Beteiligten fanden fast alle eine Ausrede, so daß auch hier das gewünschte Ergebnis nicht erreicht wurde.
Die Unterlagen zur Gewährung einer Beihilfe wurden 1899 der Zentralstelle für die Landwirtschaft vorgelegt. Der 1. Weltkrieg unterbrach das Bauvorhaben.
Erst 1926 wurde eine Wasserbaugenossenschaft Fischachtal gegründet. Vorsteher dieser Wassergenossenschaft wurde Schultheiß - so war damals die Bezeichnung des Bürgermeisters- Merklein aus Geifertshofen.
Nun gings ans Werk. Bei einem Stundenlohn von 20 - 28 Pfennig waren oftmals 30 MatU1 beschäftigt. Schon nach 2 Jahren konnte die Fischach von Herlebach bis zur Bühlereinmündung in Kottspiel im neuen Bett fließen.
Die Obersontheimer sagten aber:
"Seit die Fischach korrigiert ist, bekommen wir in Obersontheim schneller Hochwasser"!
In den letzten Jahren waren Bestrebungen im Gange, der Fischach wieder das alte Bett zu geben.
Die Eisenbahn
Am 15.Mai 1880 wird die Eisenbahnstrecke Murrhardt - Gaildorf eingeweiht. In den letzten Jahren wurde diese Strecke elektrifiziert.
1897 war im Gasthaus Ochsen in Obersontheim eine Versammlung. Man wollte eine Schmalspur-Eisenbahn von Sulzdorf über Hausen - Obersontheim - Bühlertann nach Bühlerzell errichten.
Da, wo heute in Obersonteim die Firma Kärcher steht, war ein Bahnhof geplant. Von Mittelfischach wären es dann nur ca. 3 km zum Bahnhof gewesen.
Es war noch eine Nebenstrecke Schwäbisch Gmünd - Gschwend - Fichtenberg geplant. Der 1. Weltkrieg mit seiner hervorgerufenen Finanznot hat dieses Vorhaben vereitelt.
Die Krankenpflegestation
Die Nachricht von der Bestellung einer Gemeindeschwester für die hiesige Station wurde hier mit großem Jubel aufgenommen, so schreibt Pfarrer Rentschler (Obersontheim) am 4. November 1911 an Pfarrer Weiser nach Hall, Diakonissenanstalt.
Diese Einrichtung ist in der Sozialstation weitergeführt.
Von 1900 -1948; zwischen zwei Weltkriegen
1914 bricht der 1. Weltkrieg aus. Mobilmachung, Stellungskrieg in Frankreich
1918 Kriegsende, König Wilhelm II. von Württemberg verzichtet auf die Krone, die Republik wird ausgerufen.
Mittelfischach hat im 1. Weltkrieg 46 Kriegsgefallene und 2 Vermißte zu beklagen. Im 2. Weltkrieg waren es 35 Kriegsgefallene und 20 Vermißte. Ihre Namen standen auf einer Tafel, die im ehemaligen Rathaus aufgehängt war. Auf dem Friedhof in Mittelfischach sind aus dem 2. Weltkrieg 5 gefallene Soldaten beerdigt.
1923 Inflation; 4,2 Billionen entsprechen 1 Dollar oder 1 Rentenmark, wie nun die Währung genannt wurde.
1923 Sparmaßnahmen: Im Protokoll der Gemeinde Mittelfischach ist folgendes nachzulesen: Die Personenpost von Gaildorf nach Obersontheim ist eingestellt worden, weil die Benutzung zu gering und die Kosten zu hoch waren. Der Postbote Karl Sigmann aus Unterfischach erklärte sich bereit, jeden Werktag die Post aus Gaildorf abzuholen. Als Entschädigung wird ihm die Abnützung seiner Schuhe bewilligt
1933 Die Weimarer Republik war am Ende. Der Nationalsozialismus (NSDAP) unter Adolf Hitler, dem "Führer" übernahm die Macht.
Die Hitlerpartei NSDAP hat bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 im Oberamt Gaildorf von den 11.044 gültigen Stimmen insgesamt 7.532 Stimmen erhalten.
1935 Ermächtigungsgesetz, das Hitler legal die Macht übergab. Das Wehrgesetz wird erlassen. Über 6 Millionen Arbeitslose.
1936 Bau von Autobahnen, Wiederaufrüstung. Die Arbeitslosen verschwanden von den Straßen. Jeder Pimpf von 10 - 14 Jahren mußte den Lebenslauf des "Führers" auswendig hersagen können.
1938 Österreich kommt zu Deutschland.' Das Sudetenland kommt zum Reich.Jüdische Kirchen werden zerstört.
1939 Der 2. Weltkrieg beginnt, Pyrrhussiege in Polen und Frankreich, Niederlage in Rußland, Schlacht bei Stalingrad, Zerstörung deutscher Städte durch Fliegerangriffe. Jagdbomber (Jabo) greifen Zivilisten auf dem Felde an. Der Mittelfischacher Landwirt Bay wird durch einen solchen Jaboangriff getötet. Lebensmittelmarken, Bezugscheine, Schlachtscheine schränkten den Verbrauch ein.
1939 und 1944: Attentate auf Hitler im Hofbräukeller in München und in der Wolfsschanze bei Rastenburg (Ostpreußen). Hitlers Bunker hat 5 m dicke Wände und Decken. Die Heimatbevölkerung war Luftangriffen ausgesetzt. Großstädte wurden stark zerstört. Das Abhören ausländischer Sender hätte den Tod bedeutet, wäre man erwischt oder verraten worden. Reichsarbeitsdienst (RAD), Wehrertüchtigungslager und Volkssturm, d.h. Kinder und Senioren wurden zu den Waffen getrieben. Keiner traute sich, gegen das Regime zu sprechen, geschweige denn, sich dagegen öffentlich aufzulehnen. Es ging bis zur Sippenhaft.
1945 Am 8. Mai war der Krieg zu Ende. Nicht zu Ende war das Elend der Flucht als Folge des verlorenen Krieges. Über 12,4 Millionen mußten aus der Heimat fliehen. Sie mußten fliehen in ein zerstörtes, zerbrochenes Vaterland. Auch in Mittelfischach fanden viele der Vertriebenen eine zweite Heimat. Teilung des Deutschen Reiches in eine amerikanische, eine englische, eine französische Zone und in die russische Zone.
1948 wieder eine Währungsreform, die DM wird eingeführt.
Eine Geschichte die wohl viel Schatten auf uns geworfen hat.
Das Gemeindegebiet
Die Markungsfläche von Mittelfischach beträgt insgesamt 1711 ha davon sind 601 ha Wald die sich folgendemaßen aufteilen:
- Ev. Pfarrgutsverwaltung Stuttgart: 46 ha
- Staatswald Baden-Württemberg: 371 ha
- Gemeindewald: 33 ha
- Privatwälder: 151 ha
Die Einwohnerzahlen:
- 1939: 679 Einwohner
- 1950: 857 Einwohner
- 1967: 712 Einwohner
- 1971: 863 Einwohner
- 1997: 835 Einwohner
1961 waren es 10 Einpendler und 112 Auspendler; immerhin gab es noch 112 landwirtschaftliche Betriebe und 57 nichtlandwirtschaftliche Arbeitsstätten mit 90 Beschäftigten.
Jahre des Aufbaus: 1950 -1970
Nicht nur die Politik der sozialen Marktwirtschaft, wie sie Ludwig Erhard (1897- 1977) geprägt hat, auch der Fleiß und Aufbauwille der Menschen hat diesen Wiederaufbau so erstrahlen lassen. Sicherlich hat die Volkswirtschaft durch den Nachholbedarf, der Wiederaufbau von zerstörten Brücken, Straßen, Fabriken und Häusern, einen wirtschaftlichen Aufschwung erbracht, den keiner erwartet hatte. Ein Aufstieg wie Phönix aus der Asche.
Örtlicher Aufbau
1952 Bau des Rathauses, das im Jahre 1997 an einen Privatmann verkauft und nun für private Wohnzwecke umgebaut wurde. Kaufpreis 200.000,- DM.
1960 Umbau der Kirche
1966 Flurbereinigung mit Bau von Aussiedlerhöfen und Erschließung der Wohnbaugebiete .Hofäcker" und "Weinberg".
1968 Bau des Feuerwehrgerätehauses in Mittelfischach
1968 wird das Gemeindezentrum der evangelischen. Kirchengemeinde eingeweiht.
1970 Erweiterung des Friedhofes und Bau einer Friedhofshalle.Anschaffung einer gebrauchten Straßenwalze.
Strukturänderung in der Landwirtschaft
Die Milch wurde im eigenen Haushalt stark eingesetzt. Zum Frühstück Milchsuppe, zum Mittag häufig Mehlspeisen und abends Sauermilch mit Kartoffeln.
In Mittelfischach wurde auch eine Entrahmungsstation (Milchhäuschen) betrieben. Sie steht heute noch in der Nähe des Gasthauses Löwen.
War die Milchleistung 1960 noch ca. 2.000 Liter im Schnitt; so lag sie 1964 bei 4.105 Liter und stieg 1980 auf ca. 5.500 Liter an. Der Milchpreis betrug 1927/28 18 Pfennig pro Liter und 1929/30 14 Pfennig pro Liter.
Auch die Pferdezucht ging zurück und dafür stieg die Anzahl der Schlepper.
Bezogen auf die Gesamtgemeinde:
Jahr: 1933 1950 1960 1970 1987
- Pferde: 245 239 122 7 37
- Schlepper: 0 4 304 367 409
Nach einer Jahresstatistik vom Jahre 1933 befanden sich in Mittelfischach insgesamt 123 landwirtschaftliche Betriebe
- 44 Betriebe bis 5 ha == 36%
- 66 Betriebe bis 10 ha == 54%
- 13 Betriebe über 10 ha == 10%
Heute sind es noch wenige, die hauptberuflich die Landwirtschaft betreiben.
Aus Mittelfischach sind im Jahre 1997 2,28 Millionen Liter Milch von 20 Lieferanten an die Hohenloher Molkerei nach Schwäbisch Hall abgeliefert worden.
Entwicklung des Viehbestandes von 1950-1965 im Landkreis Schwäbisch Hall
Jahr Pferde Rinder davon Milchkühe
- 1950 2943 33164 15254
- 1965 760 40239 16466
Jahr Schweine Schafe
- 1950 39369 2841
- 1965 69911 724
Die Viehhaltung liefert mit rund 80% der Gesamteinnahmen die Haupteinnahmen der hiesigen Landwirtschaft.
Mit der Einführung der Milchkontingente durch die europäische Gemeinschaft hat sich die Zahl der Rinderhaltung stark vermindert.
Dagegen hat die Schweinehaltung hoch zugenommen. Mit über 350.000 Schweinen, davon 72.000 Zuchtsauen werden im Landkreis Schwäbisch Hall rund 33% des Gesamtschweinebestandes des Regierungsbezirks gehalten (Zunahme von 1950-1976 fast um das Vierfache).
1970-1990
Die Gründerzeit des Musikvereins Mittelfischach e. V.
In diese Gründerzeit fällt die Kreis- und Gemeindereform.
Abstimmung der Bürger von Mittelfischach wegen Eingliederung nach Bühlertann:
Die Abstimmung brachte nur ein geringes Votum.
Die Gemeinde Obersontheim erhebt beim Verwaltungsgericht in Stuttgart Feststellungsklage, daß eine Eingliederung nach Obersontheim vom Regierungspräsidium genehmigt wird. Darauf votierten die Wähler mehrheitlich für Obersontheim,
Kanal - Kläranlage - Wasserversorgung
Nach der Eingliederung zum 1. August 1972 wurden die Sammelkanäle von Herlebach nach Unterfischach verlegt mit den Seitenanschlüßen nach Rappoltshofen und Engelhofen. Die Länge betrug über 10.000 Meter.
Ebenso wurden die fehlenden Ortskanäle gebaut. Mit diesen Baumaßnahmen wurden auch neue Wasserleitungen verlegt.
Die Wasserversorgung in der Gesamtgemeinde Mittelfischach war denkbar schlecht, die Wasserqualität wurde oft beanstandet. Die Wasserbilanz war nicht ausreichend. In trockenen Jahren fehlte oft das Trinkwasser.
Vom Zweckverband Bühlertalwasserversorgung wurden folgende Verbesserungs- maßnahmen ergriffen:
- Bau eines neuen Wasserhochbehälters im Gewand Hohenstück mit 500 Kubikmeter Inhalt.
Baukosten 312.530, - DM
- Zuleitung zum Hochbehälter Hohenstück.
Baukosten 573.334,- DM - Bau einer Aufbereitungsanlage zwischen BühlerzeIl und Heilberg.
Baukosten 1.800.000,- DM - Anschluß nach Engelhofen und Weiler
- Bau einer Kläranlage in Unterfischach
So wurden zukunftsorientierte Be- und Entwässerungsanlagen geschaffen. Sie geben durch einen gesicherten Verbund mit der Wasserversorgung Nordostwürttemberg sauberes und genügend Trinkwasser an die Bevölkerung ab.
John Knittel schreibt in seinem Buch "EI Hakim":
Dorfentwicklung
Über die Flurbereinigung war es möglich die Dorfentwicklung in Mittelfischach und Engelhofen durchzuführen. Gehwege, Baumpflanzungen. Sträucher, Eingrünungen wurden geschaffen. In Engelhofen - und auch das zeugt vom Gemeinschaftssinn der Einwohner - wurde von der Bevölkerung ein Dorfgemeinschaftshaus erbaut
Bei der Limpurger Bank in Mittelfischach wurde ein Denkmal für Raiffeisen errichtet (1818 - 1888). Hier danken wir dem Präsidenten des Württembergischen Genossenschaftsverbandes, Herrn Dr. Kißing, für die Finanzierung.
Behutsam wurde die Dorfentwicklung durchgeführt
Gebäude wurde nicht abgebrochen sondern wieder der Umgebung angepaßt und wiederaufgebaut. Es war möglich, weil Dorfbewohner die Eigentümer dazu bewogen haben. Außerdem wurden beim Ministerium in Stuttgart namhafte Zuschüsse erreicht.
Der Plan, beim Rathaus Mittelfischach einen 3-spurigen Ausbau der Landesstraße wegen der Abbiegung nach Oberfischach vorzunehmen, konnte abgeändert werden. Dies war für die Anlieger von großem Nutzen. So hat der Marktplatz seinen dörflichen Charakter behalten.
Die Dorfentwicklung hat mit farbenfrohen Häusern ein Gemeinschaftswerk entstehen lassen, das durch die tätige Mithilfe und das Mitgehen der Bürger in so lobenswerter Weise geschaffen wurde.
In diesen Dank schließe ich auch den Verwaltungsangestellten Friedrich Hofmann aus Unterfischach ein, der sich damals mit voller Hingabe dieser Aufgabe gewidmet hat.
Kindergarten
Wenn auch die Schule nicht mehr am Ort ist, so konnten die Schulräume als Kindergarten umfunktioniert werden.
Der ehemalige Ortsvorsteher Richard Schwarz und der Verfasser erinnern sich noch an die Gespräche mit dem staatlichen Gesundheitsamt Schwäbisch Hall. Hier sprach man von einer Zwischenlösung von 2 Jahren.
Inzwischen wurde 1989 eine Erweiterung vorgenommen, ein 2. Gruppenraum gebaut. 1998 besuchen 48 Kinder den Kindergarten in Mittelfischach. So hat das Schulhaus - mit dem Bau soll 1784 begonnen worden sein - eine vernünftige Weiterverwendung gefunden.
Im oberen Stock hat mittlerweile der Musikverein sein Domizil.
Der Musikverein und sein kulturelles Schaffen
Der Musikverein Mittelfischach hat in diesen 25 Jahren den Bürgern durch bunte Melodienreigen viel Freude beschert. Der Musikverein Mittelfischach ist sich bewußt, diese Kulturaufgabe ins neue Jahrtausend fortzutragen, vor dem wir in Kürze stehen.
Altbundespräsident Richard von Weizsäcker hat einmal gesagt, daß Kultur kein Vorbehaltsgut einiger Weniger sein kann.
Johann Wolfgang v. Goethe (1749 - 1832) sagt einfach und bündig:
"Kultur ist, was den Menschen treibt".
So hat sich auch Erich Offenhäuser, der aus Unterfischach stammt, treiben lassen, seine Naturverbundenheit, sein Leben als Wanderschäfer in einem Buch zu beschreiben. Es wurde bei einer Vorstellung unter Mitwirkung seiner musikliebenden Familienangehörigen am 5. April 1997 im Gasthaus Löwen in Mittelfischach präsentiert.
Die Bürger unserer Gemeinde haben dieses Kulturangebot angenommen.
Diese Bürger haben dem Musikverein bei der Gründung und später Rückhalt und Zuversicht gegeben, und es darf daran erinnert werden, wie aktiv gerade die älteren Bürger die Gründung gefördert haben.
Sie haben bei der Gemeindereform dokumentiert, wie stark die kulturelle Eigenständigkeit zu bewahren ist, umsetzbar, getragen von Menschen, denen Heimat etwas bedeutet.
Finanzrat Moser, der die Oberamtsbeschreibung Gaildorf 1852 erstellt hat, er wäre auch breit in einer Oberamtsbeschreibung 1997 das zu wiederholen:
"Die Einwohner von Mittelfischach sind kräftig und gesund, aufgeweckt, lebensfroh, gutartig, friedfertig, wohltätig und gastfreundlich. In ihrer Lebensweise spricht sich nach Verhältnis erfreuliche Wohlhabenheit aus".
und er würde sicherlich hinzufügen:
"Diese Menschen spielen gerne auf Instrumenten, sie singen gerne Lieder. Sie bemühen sich, ihre Lebensqualität zu steigern und den Gemeinschaftssinn als treibende Kraft zu bewahren".
Schlußwort
Mit diesem Streifzug aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart sind auch die Bürger aus Engelhofen, Rothof, Unterfischach, und Weiler umschlossen und ausgezeichnet.
Mit diesem "Geburtstagsgruß" wünsche ich dem Musikverein Mittelfischach eine erfolgreiche, friedvolle und erbauliche Zukunft.
Ihr passives Mitglied
Wolfgang Haubensak